Kaum jemand erkennt im Alltag Frauen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen, weil sie nicht so auffallen als nicht-sehende oder einen Rollstuhl nutzende Personen. Psychische Erkrankungen verändern das Bild von Behinderung. Natürlich gibt es auch Frauen mit sichtbaren Behinderungen. Aber auch Krebs, Ernährungserkrankungen oder Schlaganfälle führen zu (oft nicht sichtbaren) Behinderungen. Viele der Frauen haben keinen Schwerbehindertenausweis. Die Selbstbeschreibung von chronisch kranken Menschen lautet meistens: „Ich bin nicht behindert.“
Normen, Tabus und Denkverbote hintern viele Menschen, manchmal sogar die betroffenen Frauen selbst daran, Menschen mit Einschränkungen vorurteilsfrei zu begegnen. Sie verzichten lieber auf Steuererleichterungen und andere Vorteile als sich dem Stigma auszusetzen. Die Gesellschaft nimmt Frauen mit Behinderungen oft nur über Gesundheits- und Rechtsfragen wahr – oder als Objekt von Hilfe und Pflege.
Warum schämen sich Frauen für ihre Behinderung, für ihre Sichtbarkeit?
In: Krüger-Kirn, Helga; Schroeter, Bettina
Verkörperungen von Weiblichkeit. Gendersensible Betrachtungen körperpsychotherapeutischer Prozesse.
Gießen 2017, Psychosozialverlag
ISBN 978-3-8379-2729-0